Alt-F4 #34 - Wie sind wir hier hergekommen?  07.05.2021

Geschrieben von Nanogamer7, editiert von stringweasel, Conor_, Therenas, Firerazer,
übersetzt von BluePsyduck, EDLEXUS, lektoriert von marceljoint

Inhaltsverzeichnis

In der dieswöchigen Ausgabe Nummer #34 beginnt Nanogamer7 möglicherweise mit einer neuen Serie über die fernen Ursprünge von Factorio. In dieser Woche geht es um Inspirationen für dieses Meisterwerk, mit hin und wieder einigen Abstechern in Spieldesign.

Das Beste Seines Genres – Die Ursprünge von Factorio Nanogamer7

Wir alle haben von den wahnsinnig guten Steam-Bewertungen von Factorio gehört, wo es sich konstant auf dem zweiten Platz, direkt hinter Portal 2, befindet. Offensichtlich werden viele andere versuchen, diesen Erfolg im Automatisierungs-Genre zu imitieren, aber wo hat Factorio eigentlich seine Inspiration her? War es das erste Spiel, das ausschließlich auf Automatisierung ausgelegt war, oder lediglich das erste, das dies erfolgreich umsetzte? Das werde ich in diesem ersten Artikel einer (wahrscheinlich) mehrteiligen Serie versuchen zu beantworten.

Definiere: Automatisierung

Die erste schwierige Frage, die es zu beantworten gilt, ist, was Automatisierung überhaupt beinhaltet. In “Cities: Skylines” bauen wir zum Beispiel eine Stadt, die dann (theoretisch) autonom funktioniert. Der Unterschied ist hier, dass es nicht unsere Aufgabe ist, zu automatisieren – die Autos erscheinen aus dem Nichts, wählen ihr Ziel und kommen von selbst dorthin, sobald wir eine Straße gebaut haben – sondern vielmehr, die gesamte Situation zu managen. In Vanilla Minecraft hingegen sind wir diejenigen, die die Automatisierung überhaupt erst möglich machen – nur eben mit Kolben und Trichtern statt Greifarmen und Fließbändern. Wenn man diese beiden Beispiele vergleicht, könnte man das Automatisierungs-Genre grob als “Zeug machen, dass Zeug macht” definieren.

Eine einfache Schmelzanlage in Vanilla Minecraft
Der Trichter, Minecraft’s “Fließband”. In diesem Fall versorgt er den Ofen mit Kohle (seitlich) und Items (von oben), während er die geschmolzenen Ressourcen in die untere Truhe befördert.

Diese Definition ist allerdings noch ein wenig vage: Als jemand, der es nicht gespielt hat: Würde das Gameplay von Dwarf Fortress, das es Zwergen ermöglicht, Dinge herzustellen, unter meine Definition von Automatisierung fallen? Für den Zweck dieses Artikels nehmen wir an, dass es dies tut. Egal ob wir über elektronische Schaltkreise, Weizen und Saatgut oder hölzerne, bedrohliche Stacheln sprechen: Es zählt alles. Vielleicht wird jemand anderes Dwarf Fortress in Zukunft weiter erforschen *zwinker, zwinker*.

Dafür gibt es eine Mod

Ich habe bereits Minecraft als Beispiel für die Automatisierung erwähnt, aber seine Vanilla-Fähigkeiten sind nicht einmal im Ansatz mit den Möglichkeiten von Modded Minecraft zu vergleichen. Der Populäritätsboom im Jahr 2013 brachte viele technisch versierte Spieler zusammen, um eine der größten Modding-Communities aller Zeiten zu bilden, was es zum populärsten Beispiel für die Automatisierung gemacht haben könnte. Aber das brachte mich zum Nachdenken: Mit Mods wie Buildcraft, IndustrialCraft und Redpower, die einen sehr starken Fokus auf industrielle Maschinen und Automatisierung haben, und die Veröffentlichung dieser Mods weit vor Beginn der Entwicklung von Factorio, könnte das eine Inspiration für Factorio gewesen sein?

Also machte ich mich auf die Suche (was definitiv nicht einfach war, wenn man bedenkt, wie aktiv einige der Entwickler auf Reddit, Discord und im Forum sind), und nachdem ich mich durch ein paar Interviews gewühlt und mich in die Einöde von Google Seite 2 begeben hatte, fand ich schließlich etws: Einen alten Foren-Thread von März 2014, der Buildcraft (oder IndustrialCraft), auch laut einem anderen Interview) als Hauptinspiration für Factorio bestätigte. Laut kovarex sah er das Potenzial dieses Konzepts, während er die Mod spielte, und wollte mehr davon, natürlich mit seinem eigenen Spiel.

Beispiel einer Produktionslinie in IndustrialCraft2
Eine einfache Fabrik aus den frühen Tagen von IndustrialCraft2 (Minecraft-Beta-Version 1.8.1 wurde im September 2011 veröffentlicht), mit Ähnlichkeiten zu modernen Produktionslinien in Factorio.

Ich hatte zwar gehofft, eine Antwort zu finden, aber sicher nicht erwartet, eine so direkte zu finden. Nachdem das aus dem Weg geräumt ist, können wir definitiv ein bisschen darüber spekulieren, was Factorio dorthin gebracht hat, wo es heute ist.

Großartige Spiele entwerfen sich selbst

Es gibt ein Prinzip, dem Spieleentwickler folgen sollten, das in etwa lautet: “Folge dem Spaß”. Es bedeutet, dass man nicht versuchen sollte, ein Spiel dazu zu zwingen, etwas zu sein, was es nicht ist, sondern eher die Ideen entwickeln sollte, die Spaß machen. (Wenn du an diesem Konzept interessiert bist, empfehle ich dir dieses Video von GMTK.)

Während Beispiele für diese Aussage oft dramatische Veränderungen beinhalten, wie sie Ape Out durchgemacht hat, gilt sie auch für Spiele, die ihre Richtung nicht so drastisch ändern. Nehmen wir Factorio selbst als Beispiel: Ursprünglich hatte das Spiel mehrere Spitzhacken – eine hölzerne, die man dann in eine bessere aus Stein umbauen könnte, und dann in die eiserne Spitzhacke, die wir so lange Zeit hatten. Das war eindeutig von Minecraft inspiriert (was von den Entwicklern bestätigt wurde), aber so viele Elemente für den manuellen Abbau in einem Spiel über Automatisierung zu haben, gibt einem eine falsche Vorstellung davon, worum es im Spiel geht.

Also haben sie es vereinfacht, indem sie den Spieler auf Eisen- und Stahl-Spitzhacken beschränkt haben, aber das lässt immer noch zwei Gegenstände für den manuellen Abbau übrig. Als sie das erkannten, entfernten sie in 0.17.0 die Spitzhacken komplett aus dem Spiel, und damit auch den Fokus auf die unspaßige Handarbeit.

Dieser ganze Ansatz ist jedoch ein zweischneidiges Schwert: Du kennst vielleicht das berühmte Zitat “Given the opportunity, players will optimize the fun out of a game.” (“Wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, werden Spieler den Spaß aus einem Spiel rausoptimieren.”) aus GD Column 17, welches oft in Bezug auf Blaupausen erwähnt wird. Wube kümmert sich jedoch sehr gut um dieses Problem, wie zum Beispiel in diesem AMA auf Reddit zu lesen ist.

Du fragst dich vielleicht, wieso ich mich überhaupt mit den Konzepten des Spieldesigns beschäftigt habe? Nun, ich glaube, dass es ein wichtiger Schritt ist, um zu verstehen, wie Factorio zustande kam. Ich glaube, wenn das Kernkonzept eines Spiels erst einmal klar ist – und das war es, als Factorio angefangen hat – dann geht es nur noch darum, es mit Features zu versehen. Automatisierung? Das hört sich an wie die industrielle Revolution, als Fabriken stark von Förderbändern Gebrauch machten. Brauchst du etwas, um Dinge von den Bändern zu holen? Wie wäre es mit Greifarmen, die den Menschen bei diesem Schritt ersetzen. Du verstehst den Punkt. Ein Spiel braucht keine Inspiration von anderen Spielen, um seine Ideen weiterzuentwickeln.

Zusammenfassung

Während ich ursprünglich versucht habe, Factorios “Vorgänger” zu finden, hat mich meine Suche zu dem Schluss kommen lassen, dass es sich größtenteils um ein eigenständiges Werk handelt, bei dem nur das grundlegende Spielprinzip externe Einflüsse hat, was wahrscheinlich eine lohnendere Antwort ist als “wir haben Factorio und seinen Vorläufer Nostalgorio”. Davon abgesehen gab es in der Vergangenheit wahrscheinlich einige Automatisierungsspiele, und Factorio hatte definitiv einen großen Einfluss auf einige neuere Spiele. Vielleicht können wir das in einem zukünftigen Artikel weiter erforschen, vielleicht sogar wie Factorio mehr als nur Spiele inspiriert hat.

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